ERLÄUTERUNGEN
zu
Dante "Monarchie"

Die Monarchie ist nicht leicht, und es ist kein redliches Übertragen, wenn man sie durch Gebrauch banaler Wendungen und durch kommentierende Zusätzchen bequemer lesbar macht. Dantes Sprache stimmt zu seinen Gedanken, und seine Gedanken sind einfach, aber steil; ihr Wesen würde in flauem Deutsch erst recht dunkel bleiben. Doch liegt die Treue auch nicht darin, daß man für species Spezies und für particularis partikular einsetzt. Zwar konnte Dante auch sehr trockene Begriffe aufnehmen, weil das ausgereifte Mittellatein seiner Zeit hoch über dem Sinnlichen des Lebens schwebte, doch grade darum ist die Monarchie ein Sprachwerk aus Einem Guß und muß es auch im Deutschen bleiben: selbst auf die Gefahr hin, vom ersten bis zum letzten Wort farbiger als der Urtext zu erscheinen. Auch die vorstehende Übersetzung wird der stolzen Nüchternheit Dantes nicht vollauf gerecht; indessen durfte nicht als Geste erstrebt werden, was einzig als Natur Geltung hat.

Es ist moderne Barbarei, daß man schneller lesen will als man spricht. Alle antiken und mittelalterlichen Texte setzen als Tempo das Andante des mündlichen Wortes voraus. In der Musik würde man nicht leicht ein Andante als Prestissimo spielen: auch das Wort verliert davon seine Schönheit und, wenn es gewichtige Gedanken trägt, seine Verständlichkeit. Ein Dante kann es verlangen, daß man ihn nach guter Sitte liest: langsam, am besten laut. Dann tragen seine Gedanken den Lesenden fast von selber mit. Nur bei mehr äußeren Hemmungen können und wollen die nachstehenden Erläuterungen Hilfe geben: die Monarchie setzt manches an bestimmtem Wissen und besondrer Bildung voraus, das der aristotelischen Schule angehört und heute nicht mehr geläufig ist. Auch dies ist so, wie Dante es bringt, keineswegs "tote Scholastik", sondern klar und bedeutend.

Voran einige oft wiederkehrende Grundbegriffe.

Syllogismus: Der Schluß nach den Regeln der Logik besteht aus drei Sätzen. I. Der Vorder-(Ober-)satz, der etwas allgemein Bekanntes formuliert ("dem adligsten Volke gebührt vor allen andern der Vorzug"); 2. der Untersatz oder die Annahme, der einen Sonderfall aufstellt ("das römische Volk war das adligste"); 3. der Schlußsatz, der aus diesen Voraussetzungen die Folgerung zieht ("also gebührte ihm vor allen andern der Vorzug"). Diese Form liegt allen Beweisen der Monarchie zugrunde; wo die drei Sätze getrennt stehen, werden sie im folgenden zur Übersicht zusammengefügt. Wir Deutschen empfinden diese Art nicht als sonderlich klar, weil unsre Sprache auf eine andre Logik deutet. Lateinisch heißt es: cum omnes homines mortales sint (1), si Cato homo est (2), Cato est mortalis (3). Deutsch sagt man: Da alle Menschen sterblich sind, ist Cato sterblich; denn Cato ist ein Mensch (1 - 3 - 2). Das ist nicht Zufall oder Mangel, sondern bei gleichem Ergebnis doch zweierlei Denkform.

Principium - finis: Prinzip und Ziel (in einfacher Bedeutung: Anfang und Ende), das griechische arche und telos. Nach der hierarchischen Auffassung des Mittelalters muß das Erste und Ursprüngliche zugleich das Höchste, Allbestimmende sein; man könnte principium gradezu als "das Fürstliche" dolmetschen, wenn das nicht zu unbegrifflich wäre. Das oberste aller Prinzipien ist Gott; aber auch jeder einzelnen Erscheinung liegt ein besondres Prinzip zugrunde, das dann letzten Endes auf Gott zurückgeht. Ebenso hat jede einzelne Erscheinung ihr Ziel, das wiederum in Gott als das höchste aller Ziele einmündet: in diesem Endsinn bedeutet finis Vollendung. Uns wäre es geläufiger, von "Ursache" und "Zweck" der Einzeldinge zu reden; aber diese Worte versteht man fast immer so, daß sie grundsätzlich zweierlei sind: die Ursache eines Dings hat mit dessen Zweck an sich nichts zu tun. Dagegen muß man principium und finis eines Dings wohl im Einzelfall unterscheiden, aber zuletzt sind sie immer dasselbe: wie jeder Same ein Lebendiges hervorbringt, das wiederum Samen trägt, so hat Gott das Ende (oder Ziel) jedes Dings schon in dessen Anfang (Prinzip) hineingelegt. Man sieht hier also die Erscheinungen nicht in gradeaus fortlaufender Linie, sondern im ewigen Kreisen - ein Kreis hat nicht Anfang und Ende, und angesichts der Ewigkeit fallen beide zusammen. Diese ganze Anschauung ist von Gott her und auf Gott hin orientiert; die modernen Vorstellungen von Gründen und Zwecken entstammen dem Stoff. Für das Mittelalter sind Prinzip und Ziel auch der stofflichen Erscheinungen letzthin immer geistig: darum läßt sich über Wirklichkeiten wie den Staat rein geistig nach "Prinzipien" reden, darum fallen die Begriffe "Ursache" und "Grundsatz" in "principium" zusammen. Dagegen ist die Kausalverknüpfung eines Dings dem Mittelalter unwesentlich: wesentlich erschien nur dessen prinzipielle und finale Verknüpfung mit der zeitlosen, göttlichen Wahrheit. So rechtfertigt sich auch das streng logische Vorgehen bei einem rein praktischen Thema; die Logik ist für Dante noch keine leere Form wie seither. - Hauptstellen: Buch I, Kap. 2 - 3; Buch II, Kap. 5, letzter Absatz.

Möglichkeit und Wirklichkeit, Stoff und Form: diesen Begriffspaaren hatte Thomas auf Grund des Aristoteles Geltung verschafft und Zusammenhang gegeben. Gott, der vollendete, ist reine Wirklichkeit (actus purus) und reine Form. Im Irdischen mischen sich Stoff und Form: hier ist alles unvollendet, alles Entwicklung, neben jeder fertigen Wirklichkeit stehen neue Möglichkeiten. Dabei ist es der Stoff, der die Möglichkeiten schafft, der für sich allein nichts ist als pure Möglichkeit (potentia) ohne jede Wirklichkeit; die Form - der Idee Platos vergleichbar, die von Gott ausgehende Schöpferkraft - die ists, die den Stoff zur Wirklichkeit auszuprägen sucht. So gilt im Menschen der Körper als der Stoff, die Seele als die Form; nach der Auferstehung des Leibes wird der Körper von der Seele ausgeprägt, zu Ende geprägt sein. So will der Mensch alles Mögliche; aber der Wille bekommt Wirkkraft, Wirklichkeit, Form durch bestimmte Ideen, die ihm vorschweben, und die er nun in der stofflichen Welt ausgestaltet. Was wir Heutigen Wirklichkeit nennen, ist für diese Scholastik eine vorläufige Verbindung von Wirklichem mit Möglichem; sie sah das Wirkliche unbedingt, wiewohl es erst in den stofflichen Dingen zur Erscheinung wird. Die Form ist Ur-sache und Endsinn, Prinzip und Ziel jeder Erscheinung, ist deren geistiges, göttliches und wahres. - Anwendungen: Buch I, Kap. 3, Kap. II Absatz 2, Kap. 15; Buch II, Kap. 2, Absatz 2.

Natur: natura ist vielfach am besten mit "Schöpfung" wiederzugeben, sie ist stets als Gotteskunst und Gotteswerk angeschaut. Die heute noch wirksame Formel Goethes "Natur und Geist, so spricht man nicht zu Christen", betrifft den Barock, nicht das Mittelalter, dem die Natur - freilich nicht die Rousseaus - und der Geist - freilich nicht der der Aufklärung - immer heilig waren, wenn auch seit dem 13. Jahrhundert mehr und mehr die Kraft verloren ging, beiden eigentümlich christliche Prägung zu wahren. Für Dantes Sicht der Natur ist besonders auf Buch II, Kap. 6 zu weisen.

"Der Philosoph" ist immer Aristoteles, "unser Dichter" Vergil. Tullius: Cicero.

 

ZUM ERSTEN BUCH

Kapitel 1: Anspielungen auf Ps. I v.3 (der Baum) und Matth. 25, v.25 (das vergrabene Pfund). Schlußzitat nach Jak. I, V.5.

Kapitel 2: "Zeitliche Monarchie": so, nicht weltliche Monarchie, sagt Dante stets - es ist ein positiverer Ausdruck, da sich der Christ von der "Welt" möglichst frei halten soll, nicht von der Zeit. Antithesen wären die ewige Monarchie Gottes, oder die Hierarchie, d.h. heilige Herrschaft. (Monarchie, von xxxxx und xxxx, heißt Alleinherrschaft.)

Kapitel 3: Der Philosoph an Nikomachus: Ethik I, 7, 1098 b 7. Das ganze Kapitel ist stark von Aristoteles her gestaltet.

Der dritte Absatz besagt, daß jedes Ding seine Eigentümlichkeit hat, sonst könnte man es von einem andern nicht unterscheiden. Diese Eigentümlichkeit muß man aber auch begrifflich fassen können: man grenzt den Gegenstand so lange ein, bis man zu einem "Äußersten" gelangt, das keinem sonst angehört und auch keinem angehören kann, da es nicht zwei ganz gleiche Wesen in der Welt gibt. So wird hier der Mensch definiert: wahrnehmendes Sein hat auch das Tier, Geist hat auch der Engel; aber nur der Mensch hat den möglichen Geist (intellectus possibilis). Das heißt, der Geist des Menschen ist nicht fertig, sondern hat die Möglichkeit zu lernen und sich zu mehren, auch zu schlafen und zu erlahmen, er bleibt sich nicht gleich - während der Geist Gottes oder nur der Engel ganz ausgeformt und immer gleich stark ist. - Daß Dante auch Pflanzen und Tiere beseelt sein läßt, entspricht der griechisch-lateinischen Bedeutung von Seele: Lebenshauch.

Letzter Absatz: "Averroes" im Kommentar zu Aristoteles, de anima III, I. "Das Wort der Politik" des Aristoteles I, 2, 1252 a 31. - Wenn die geistige Kraft das eigentümliche Merkmal (das Äußerste) der Menschheit ist, so könnte man folgern, es käme der gesamten Menschheit nur Ein Geist zu, und jeder Einzelne habe nur seinen Teil daran. Das hatte Averroes gelehrt: "in seiner Lehre löste er den möglichen Geist von der Seele ab, weil er nicht sah, daß der Geist sich an ein (einzelmenschliches) Organ bindet." So kennzeichnet und verwirft Dante selbst im Fegefeuer (25, 64 - 66) diese unchristliche Vorstellung. Hier in der Monarchie zeigt er, wie weit sie annehmbar sei. Wohl bedarf es vieler Menschen, um alle Möglichkeiten des menschlichen Geistes zu erschöpfen: insofern ist Ein Geist in allen, so weit hat Averroes recht. Aber darüber hinaus gilt, daß die geistige Kraft in Zeit und Raum eingeht ("Ausdehnung annimmt"); sie bleibt nicht losgelöst, sondern führt zum Handeln. Täter und Schöpfer aber ist immer nur der Einzelne; der (dessen Seele) ist das Organ, an das der Geist sich bindet. Auch für den, der im Staat und in der Kunst wirkt, steht die Schau (speculatio) am höchsten; aber da sie nicht müßig für sich bestehen bleibt, folgt hieraus nicht die Lehre des Averroes, vielmehr die des Aristoteles, daß Geisteskraft Herrscher schaffe. - In Einem Satz: die Menschheit hebt den Menschen nicht auf, doch auch nicht umgekehrt; eins ist nicht denkbar ohne das andre, und darum muß beides seinen Sinn haben.

Kapitel 4: Zitate: Ps. 8, v. 6; Luk. 2, v.14; 24, v.36.

Kapitel 5: Der Syllogismus des Kapitels: Sooft mehrere Dinge sich auf Eines richten, muß deren Eins maßgeben oder regieren; nun steht fest, daß das ganze Menschengeschlecht sich auf Eines richtet: also muß Eines maßgebend oder regierend sein. - "Politik" I, 5, 1254 a 28. - "Nach dem Satze des Philosophen": Politik I, 2, 1252 b 20, wo auch das folgende Homerwort (Od. IX 114) angeführt ist. - "Selbstgenüge": die Autarkie der Griechen. Über die aufrechte und gebeugte Staatsverfassung s. unsre Vorrede S. 7-8. -"Untrügliche Wahrheit": Luk. II, v.17.

Kapitel 6: Man beachte die Unterscheidung von zweierlei Ordnung: es ist der Unterschied zwischen Organisation und Staat.

Kapitel 8: Zitate: I. Mos. I, v.26; 5. Mos. 6, v.4.

Kapitel 9: "Naturlehre": Aristot. Physik II, 2, 194b 13. Boethius (etwa 480 - 525): die Tröstung der Philosophie II, metr. 8.

Kapitel 10: "Der Philosoph": Metaphysik XI, 10, 1076a 3. Der zweite Satzteil stammt tatsächlich aus der llias II, 204, was Dante nicht sehen konnte, da Aristoteles die berühmte Stelle stillschweigend zitiert.

Kapitel 11: Der Syllogismus steht im ersten Absatz. Obersatz: Die Welt ist am besten ausgebildet, wenn die Gerechtigkeit in ihr am stärksten ist. Untersatz: Die Gerechtigkeit ist am stärksten allein unter dem Monarchen. Schlußsatz: also wird für die beste Ausbildung usw.

Zitate: Vergil: Georg. Ecloge 4, 6. "Der Meister der sechs Prinzipien" ist Gilbert de la Porrée, Philosoph des 12. Jahrhunderts, nach seinem Hauptwerk so genannt; Dante folgt dessen erstem Satz. Aristoteles' Nikomachische Ethik ist zweimal zitiert: im zweiten Absatz V, 3, 1129 b 28; im fünften V, 2, besonders etwa 1129b 6-10; gleich danach "der Spruch des Philosophen" Rhetorik I,1, 1354 a 31. - Im vorletzten Absatz die "Schrift von den Ursachen" (liber de causis): ein Werk der neuplatonischen Schule des 5. Jahrhunderts, bis ins 13. Jahrhundert meist dem Aristoteles zugeschrieben; Dante spielt auf dessen erste Zeilen an.

Zum 2. Absatz: Gerechtigkeit ist eine Urform (platonisch: eine Idee), die an sich immer gleich bleibt; wenn ein Mensch mehr, ein andrer weniger gerecht ist, so liegt es nicht an ihr, sondern an dem Menschen, der ihr Träger (Subjekt) ist und sie mit mindernden Elementen vermischt. Die Gerechtigkeit ändert sich dadurch nicht, sondern tritt nur unvollständig in Erscheinung - Phoebe ist Diansals Mondgöttin, Schwester des Sonnengotts Phoebus Apollo.

Zum 4. Absatz: Der Schluß wird möglichst genau auf die logische Grundfigur des Aristoteles (Analyt. prior I, 5, 27 a 37) zurückgeführt; die zweite Aufstellung dient, die in dem "allein" enthaltene Negation herauszubringen.

Vorletzter Absatz: Ursache und Wirkung sind Wechselbegriffe; keins ist ohne das andre denkbar, und je reiner das eine heraustritt, um so reiner auch das andre. So "liebt" die Ursache Wirkung.

Kapitel 12: Syllogismus: Mit dem ersten und zweiten Glied beginnt der 1. und 2. Absatz; der Schluß steht am Schluß.

Zitate: Im 1. Absatz "Paradies" Gesang V, v. 19 (s. im folgenden). Im 2. Absatz: "Schrift über das schlechthin Seiende": Metaphysik I, 2, 982 b 25. "Politik" III, 4, 1276 b fg., dazu III, 6, 1279 a 18. Es lohnt, diese Kapitel des Aristoteles nachzulesen. "Gleichfalls der Philosoph": Politik IV, 1, 1289 a 13.

Zum 1. Absatz: "Freiheit der Entscheidung", libertas arbitrii; wir sagen gewöhnlich freier Wille. - Der Satz vom Dreieck dient in logischen Vorlesungen lediglich als logisches Beispiel, ohne daß man an den Inhalt denkt. - "Geistige Substanzen, deren Wille unwandelbar ist", sind die Engel.

Die zitierte Paradiesesstelle heißt wörtlich: "Das größte Geschenk, das Gott in seiner Freigebigkeit als Schöpfer (dem Menschen) gemacht hat, das seiner Güte am meisten nachgeformt ist und das er am meisten werthält, war die Freiheit des Willens, mit der die geistigen Geschöpfe, sie alle und sie allein, begabt wurden und begabt sind." - Schon die Superlative zeigen, welche Wichtigkeit Dante dieser Lehre beimaß; dies ist in der Tat die einzige persönliche Anspielung in der ganzen Monarchie. Viele halten das Sätzchen "sicut in paradiso comedie iam dixi" für einen Einschub von fremder Hand: vor allem weil sie annehmen, daß die Monarchie schon vor dem Paradies als Kampfschrift während der Romfahrt Heinrichs VII. (1311/12) entstanden sei; schon Boccaccio hat die Abfassung in diese Zeit gesetzt. Hierüber ausführlich Friedrich Schneider: Die Entstehungszeit der Monarchie Dantes, 1922. Aber auch abgesehen davon, daß ein Einschub in der ersten Person unwahrscheinlich schiene, halten wir die Monarchie für ein Beiwerk des Paradieses und für eine Schrift der persönlichen Entsagung, vgl. die Vorrede.

Kapitel 13: Der Syllogismus steht wie in Kapitel 12.

Zitate: "Über das schlechthin Seiende", Metaph. VIII, 8, 1049 b 24. Jakobs Hände und Worte: der bekannte Trug an Isaak, 1. Mos. 27, v. 22. "An Nikomachus": Eth. X, 1, 1172 a 34. "David": Psalm 49 (50), v. 16. "Galenus" (griech. Arzt des 2. Jahrh. n. Chr.): vom Erkennen der Krankheiten, Kap. 10. "Zeugnis jenes heiligsten Königs", nämlich Davids: Psalm 71 v. 2 (72, v. 1)

Kapitel 14: Syllogismus: Die drei Glieder zu Beginn der drei Absätze:

2. Absatz: "Epieikeia" nach Eth. Nicom. V, 14, 1137 b 26. Wo ein im allgemeinen richtiges Gesetz im Einzelfall nicht passen will, soll nach Billigkeit oder Schicklichkeit geurteilt werden; diese ergänzt also, was dem Gesetze fehlt. "Moses": 2. Mos. 18, v. 17 - 26.

Kapitel 15: Der Syllogismus steht im Schlußabsatz.

Zitate: 1. Absatz: Aristot. Metaph. I, 1 und I, 5, 986 a 23. Psalm 4, v. 8 in allegorischer Auslegung. - Schlußabsatz: "an Nikomachus": Eth. X, 9, 1179 b 31.

1. Absatz: "Die fünfte Wortbedeutung des Eher" (des prius, próteron) nach Aristoteles, Kategorien Kap. 12, 14 b 10. Sie ist so: Von Dingen, deren Folgeverhältnis umkehrbar ist, kann eins immerhin die Seinsursache des andern und in dem Sinn das Ehere sein; z.B. wenn Cato ein Mensch ist, so ist die Rede wahr, daß er ein Mensch sei - doch auch wenn die Rede wahr ist, daß Cato ein Mensch sei, so ist er ein Mensch. Trotzdem beides richtig ist, ist doch der Gegenstand eher als die Rede über ihn. So kommt auch erst das Sein, dann das Eine, dann das Gute, wiewohl sie für den Christen in Gott zusammenfallen und für einander eintreten können.

Den 2. Absatz würde Dante auf deutsch wohl wesentlich kürzer gefaßt haben, da unser "Eintracht" das Eine schon enthält. Im Lateinischen kann er nur begrifflich zeigen, daß concordia auf einem unum beruht. Auch Thomas hatte dies aufgezeigt (summa theol. II II, 29, 1, corpus). - Dafür, daß der Wille erst von der Erkenntnis seine Form bekommt, vgl. oben S. 107/8.

Kapitel 16: Zitiert sind Lukas (2, v. 1) als Darsteller der Sanftmut, Gal. 4, v. 4, Ps. 132 (133), v. 1. Anspielungen auf Joh. 19, v. 23 (der ungenähte Rock), Offenb. 13, v. 1 - 3 (das Ungetüm).

 

ZUM ZWEITEN BUCH

Kapitel 1: Motto und Grundtext ist Psalm 2, v. 1 - 3. Daß ein Wort auf den Cäsar angewandt wird, welches David auf den Fürsten des Himmels prägte, entspricht dem Stil Friedrichs II.

Kapitel 2: 3. Absatz: "nach dem Wort" Joh. 1, v. 3 - 4, in ungewohnter Verknüpfung von Vers-ende und anfang. Schlußabsatz: Eth. Nicom. I 3, 1094 b 24; Anspielung auf Römer 1, v. 20.

Kapitel 3: Zitate: 1. Absatz: "Politik" IV, 8, 1294 a 21. Juvenal: Satyre 8, 20 (ungenau, wohl nicht unmittelbar aus Juvenal entnommen). Evangelienwort: Matth. 7, v. 2. - 2. Absatz: Livins I, 1. - 3. Absatz: Aeneis I, 544/5, VI, 170. Eth. Nic. VII, 1, 1145 a 20 (das 7. Buch handelt von Unsitten, die man meiden soll). Aeneis III, 1 - 2, VIII, 134 - 37, III, 163 - 67. Oroslus: Jünger Augustins, schrieb 417/18 seine "Geschichte gegen die Heiden", von der hier Buch I, Kap. 2 angeführt ist. - Vorletzter Absatz: Aeneis III, 339/40, IV, 171 - 72, XII, 936 - 37.

Kapitel 4: Zitate: Thomas: summa contra gentiles III, 101. Moses: 2. Mos. 8, v. 19. - 2. Absatz: Livius I, 20 (ausführlicher Ovid Fast. III, 259 - 398). Lukan Phars. IX, 477 - 80. Unter Numa soll ein Schild (ancile) vom Himmel gefallen sein, von dessen Erhaltung die römische Herrschaft abhängen sollte. Numa ließ elf gleiche fertigen, um den echten gegen Entwendung zu schützen; sie wurden als Heiligtum verwahrt und alljährlich unter Liedern und Waffentänzen durch die Stadt getragen. Nach Lukan wären alle zwölf herabgefallen, indem ein Sturm sie nach Rom verweht hätte. - Aeneis VIII, 652 - 56. Livius 26 c. 11.

Zum Schlußsatz: Gott hat in der sichtbaren Gestalt Jesu Christi durch Wunder für sein unsichtbares Reich gezeugt; hier zeugt er für sein sichtbares römisches Reich, ohne selbst zu erscheinen.

Kapitel 5: Der syllogistische Kern des Kapitels findet sich Seite 61, mittlerer Absatz. Voran steht die philosophische (Seite 58) und die historische (Seite 59 - 61) Grundlegung, es folgt als Schlußabsatz eine logische Erläuterung (Seite 61/62). In manchen Ausgaben ist dies längste Kapitel in zwei geteilt.

Seite 58, 1. Absatz: "Digesten", Hauptteil der von Kaiser Justinian geschaffenen Sammlung des römischen Rechts; darin finden sich zwar kurze Umschreibungen des Begriffes Recht (I, 1, 1 und 10), aber keine Definition im scholastischen Sinne, wie sie Dante nun selbständig versucht. - "Tullius in der ersten Rhetorik": Cic. de invent. I, 38, n. 68. "Seneka" im Kapitel de justitia des Buches "von den vier Kardinaltugenden", das heute dem Martinus de Bracara zugeschrieben wird. - Das Zitat am Schluß des 2. Absatzes ist ein Ausspruch Konstantins des Großen aus der Legende des heiligen Papstes Silvester, der den Kaiser getauft haben soll; vgl. z. B. Jacobus de Voragine, Legenda aurea ed. Graesse 1846, p. 71.

Seite 59: "Wie schon gesagt wurde": Kap. 2 am Ende, S. 53. "Cicero": de off. II, 8, n. 26 f.

Seite 59 - 61: die "Einzelnen":

Cincinnatus: Livins III, 26 - 29; vgl. aber auch Orosius II, 12, 8. Cicoro de fin. bon. II, 4, n. 12.

Fabricius: Aeneis VI, 844/45.

Camillus: Livius V, 32; Aeneis VI, 825 (der Kommentar des Grammatikers Servius zu diesem Vers stimmt besser als Livius zu Dantes Angaben).

Brutus: Livius II, 5; Aeneis VI, 820/21.

Mutius-Scaevola: Livius II, 12.

Die Decier: Livius VIII, 9; X, 28. Cicero de fin. bon. II, 19, n. 61. Cato: Cic. de off. I, 31, n. 112.

Seite 61 unten: "Wie oben gesagt ward": I Kap. 3, 2. Absatz (S. 31); vgl oben S. 107.

Seite 62: "Und da es in jeder Abfolge unmöglich ist" usw: Das hier zugrunde liegende Schulbeispiel lautet: "Wenn es einen Menschen gibt, muß es ein Lebewesen geben." Denn das vorangehende, der Mensch, schließt das nachfolgende schon ein. Man kann nun diese Folgerung in bejahender und in verneinender (konstruierender und destruierender) Form aufstellen. Die verneinende würde lauten: Es gibt keinen Menschen ohne ein Lebewesen (deutlicher in der Umstellung: wenn es kein Lebewesen gibt, gibt es keinen Menschen). Wie Mensch und Lebewesen soll sich hier Ziel des Rechtes und Recht - oder Wohlbefinden der Glieder und Gesundheit - verhalten, wobei Dante die verneinende Form aufstellt: man kann kein Ziel des Rechtes suchen ohne Recht - es gibt kein Wohlbefinden der Glieder ohne Gesundheit. (Analog setzt er Buch III Kap. 5 für den Menschen des Schulbeispiels die Geburt, für das Lebewesen die Geltung.) Dante verankert damit in der Logik den Satz, der ethisch dem graden Sinn von selbst einleuchtet, daß Unrecht nie zu Recht führen kann.

"Der Philosoph": Eth. Nicom. VI, 10, 1124 b 20 - 25. Aristoteles spricht hier von der Eubulia, buchstäblich "Wohlberatenheit", von uns mit "Überlegung" wiedergegeben.

Kapitel 6: Syllogismus: Erster Satz des 1. und des 2. Absatzes, Schlußsatz des Kapitels.

Zitate: Physik II, 2, 194 a 28. Politik I, 5, 1255 a 1; es ist die berühmte griechische Herrenlehre vom xxxxx xxxxxxx, vom naturhaften Knechtswesen Einzelner wie ganzer Völker, in die hier Dante einstimmt. - Aeneis VI, 848 - 54, IV, 227 - 30.

Kapitel 7: Zitate: 1. Absatz: Politik I, 2, 14, 1253 a 25 Eth. Nicom. I, 1, 1094 b 9. - 2. Absatz: Hebr. 11, v. 6; 3. Mos. 17, v. 3 - 4. "Wie es dem Evangelium entlockt werden kann": Joh. 10, v. 7 - 9 "ich bin die Tür der Schafe" usw. - 3. Absatz: "das Urteil gegen Saul", 1. Sam. 15, v. 10 - 11 "es geschah das Wort des Herrn zu Samuel: es reut mich, daß ich Saul zum König gesetzt habe." "Pharao": 2. Mos. 7. "Chronika" 11, 20, v. 12: Josaphat betet mit den angeführten Worten um Kampfhilfe, worauf sich seine Feinde untereinander erschlagen. - Vorletzter Absatz: Apostelgesch. I, v. 23 -26. Lukan IV, 609 - 53, Ovid Metam. IX, 183/4. Dgl. X, 560 - 99. Aeneis V, 337/8. "Tullius": Cicero de officiis III, 10 n. 42.

Kapitel 8: Syllogismus: Das Volk, welches sich... bewährt hat, hat sich nach göttlichem Urteil bewährt; das römische Volk hat sich... bewährt: also hat es sich nach göttlichem Urteil bewährt.

Zitate: 2. Absatz: Orosius I, 4. Ovid Metam. IV, 58 und 88. Orosius I, 14. Lukan II, 672/3. "Wie Livins erzählt": vielmehr Orosius III, 15, § 10 und 20, § 2 - 3. Lukan VIII, 692 - 94; der daran sich schließende Ausruf Dantes nach Römer II, v. 33. - Vorletzter Absatz: Aeneis I, 234 - 36; Lukan I, 109 - 11. Boethlus consol. philos. II, metr. 6, v. 8 - 13. Lukas 2, v. 1.

Kapitel 9: Syllogismus: Dies Kapitel beginnt mit dem Obersatz, das folgende beginnt mit dem Untersatz und bringt den Schlußsatz als Ende des vorletzten Absatzes.

Zitate: 1. Absatz: Psalm 10, v. 8 (11, v. 7). Tullius: Cic. de off. I, 11 n. 34. Vegetius: de re milit. III, 9. - 2. Absatz: Cicero de off. I, 12 n. 38. "Evangelium": Mth. 18, v. 20 "wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen". - Die Pyrrhusverse sind von Ennius (um 200 vor Christus) und finden sich bei Cicero de off. I, 12 n. 38.

Dante folgt in diesem Kapitel der germanischen Auffassung vom Gottesurteil, die sowohl ritterlich wie volkstümlich war. Dagegen stand auch damals schon die Vernunftauffassung, die entweder christlich gefärbt war - so bei Innozenz III., der Gottesurteile verbot - oder antikisch-cäsarisch auftrat, wie bei Friedrich II.

Kapitel 10: Zitate: Aeneis XII, 140 ff (Aeneas und Turnus); Livius I, 24 - 26, Orosius II, 4, § 9 (Horatier und Kuriatier). Lukan II, 135 - 38. - 2. Tim. 4, v. 8.

Das Ende dieses Kapitels und der Beginn des nächsten wirft einen Blick auf die historischen Gegner von Dantes Idee. Bei den "anmaßlichen Juristen" wird am meisten an die Helfer Philipps des Schönen von Frankreich zu denken sein (die bedeutendsten waren Peter Flote und Nogaret), welche Würde und Besitz der beiden Universalmächte möglichst zu schmälern suchten und mit zahlreichen Streitschriften hervortraten. "Die sich Eifrer um den christlichen Glauben nennen" sind die Vertreter der päpstlichen Weltherrschaft; gegen sie erneuert hier Dante den Standpunkt der Franziskaner und Friedrichs II., wonach das Kirchengut den Armen gehört und von der Geistlichkeit nur vormundlich verwaltet wird. Dabei geht er schon so weit, an völlige Enteignung der ungetreuen Vormünderin zu denken: "gehe das hin, woher es gekommen" usw., d.h. die kirchlichen Einkünfte sollen von guten Seelen an gute Seelen, nicht an Pfründner gehen, und der Kirchenstaat möge dem Kaisertum zurückerstattet werden.

Kapitel II: Zitate: Eth Nicom. X, I, 1172 a 34. Lukas 2, v. 1.

1. Absatz: vgl. zum vorigen Kapitel.

2. Absatz: Dante führt hier einen indirekten Beweis. Er nimmt einmal als Vordersatz an, was er für falsch hält: das römische Kaisertum war nicht nach Recht. Daraus würde sich für ihn notwendig der Folgesatz ergeben, daß Christus mit einem Unrecht geboren sei. Dies ist unannehmbar, also ist es auch der Vordersatz, da die Richtigkeit der Folgerung selbst durch den dritten Absatz bewiesen wird. (Muster: wenn 16 x 16 = 320, so wäre 2 x 2 = 5; den Fehler des Folgesatzes sieht jeder sofort, den des Vordersatzes nicht.)

Kapitel 12: Zahlreiche Bibelzitate: Römer 5, v. 12, Eph. 1, v. 5 - 8, Joh. I9, v. 30. - "Drum sprach jener (ein ungenannter Jude) zu Moses": 2. Mos. 2, v. 14. Der Profet: Jes. 53, v. 4. Herodes: Lukas 23, v. 11. Kaiphas: Joh. 11, v. 49 - 51; hier ist das profetische Wort gemeint, das Kaiphas in gemeinem Sinne redete, "es ist uns besser, Ein Mensch sterbe für das Volk, denn daß das ganze Volk verderbe".

Schlußsatz: der Minderer des Kaisertums ist Konstantin der Große, von dem geglaubt wurde, er habe die westliche Reichshälfte an die Kirche verschenkt.

 

ZUM DRITTEN BUCH

Kapitel 1: Motto und Grundtext ist Daniel 6, v. 22. Zitate: "Salomo", Sprüche 8, v. 7. "Der Philosoph", Eth. Nicom. I, 4, 1096 a 14: Aristoteles wendet sich hier gegen die Ideenlehre, die doch ihm liebe Männer eingeführt haben. "Ermahnung Pauli", 1. Thess. 5, v. 8. "Jesajas' Lippe", Jes. 6, v. 6 - 7. "Durch den Mund Davids", Ps. III, v. 7 (112, v. 6). - Man bemerke den biblischen Ton zu Beginn grade dieses Buches.

Kapitel 2: Für den auch hier gewählten indirekten Beweis vgl. die Erläuterung zu II, 11.

Kapitel 3: Zitate (im 3. Absatz): "Der Profet", Ps. 110 (111), v. 9. "Ziehe mich dir nach", sagt Hohel. 1, v. 3 die Braut; nach der allegorischen Auslegung ist sie als die Kirche, ist als der Bräutigam Christus zu verstehen. "Matthäus" 28, v. 20. "Matthäi Zeugnis" 15, v. 2 - 3.

Zum 2. Absatz: Dante teilt also seine Gegner in drei Gruppen: 1. die papistisch gesinnte Geistlichkeit; 2. die Guelfen in Frankreich und Italien, die wegen ihrer Unterstützung der Kurie im Kampf gegen das Kaisertum von den Päpsten mit Vorliebe "Söhne" genannt wurden und darauf gern selber pochten; 3. die "Dekretalisten". Dekretalen sind die von den Päpsten erlassenen Gesetzesurkunden, deren Studium sich seit Ausgang des 12. Jahrhunderts entschieden von dem der Theologie gelöst hatte: bis dahin war das kanonische Recht nur ein Zweig der allgemeinen priesterlichen Wissenschaft. Auch im Paradies IX, 133 ff. ist gesagt, daß über den Dekretalen das Studium von Schrift- und Kirchenlehrern vergessen werde, und zwar um Geldes willen. - Über die Person des Frechlings, der die Überlieferungen der Kirche zum Grund des Glaubens machen wollte, bestehen viele Vermutungen: am bestechendsten die, es sei der franziskanische Scholastiker und Kardinal Matthäus von Aquasparta gemeint, den auch die Komödie (Par. XII, 124) mit einer bitterbösen Wendung bedenkt.

Zum 3. Absatz s. die Vorrede S. 19 - 20.

Der vorletzte Absatz greift noch einmal auf die Gruppe der Guelfen zurück, wohl mit besonderm Hinblick auf Florenz. Das "Rabengefleder" läßt an ihre schwarze Parteifarbe denken, die preisgegebene Mutter ist die Kirche, die von den Schwarzen ja nur als Mittel benutzt wurde, die Brüder sind die Verbannten, wie Dante selbst, der Richter ist der Kaiser und jeder wirkliche Herr.

Kapitel 4: 2. Absatz: 1. Mos. 1 v. 16. - 3. Absatz: Aristot. de soph. elenchis 18, 176 b 29; Physik I, 3, 186 a 7. - 4. Absatz: Augustin de civ. dei XVI, 2, Ende; de doctr. christ. I, 36 am Ende und 37.

Der vorletzte Absatz zeigt, welche Wirklichkeit Dante den scheinbar leeren Allegorien von Sonne und Mond gibt. Denn sein Gedankengang hat nur dann Sinn, wenn angenommen ist, daß die Gestirne in tatsächlicher Beziehung zu den irdischen Staatsgewalten stehen: indem Gott sie schafft, würde er Kaisertum und Papsttum schaffen, wenn sie, wie behauptet wurde, deren Urbild (typus) wären. Nimmt man statt dessen an, das Gleichnis bezeichne auch für das Mittelalter eine bloß gedankliche Beziehung, so hätte Dante nie auf die Behauptung verfallen können, Gott würde im Fall der Richtigkeit des Gleichnisses die Arznei eher als den Menschen geschaffen haben.

Kapitel 5: Das Gleichnis nach 1. Mos. 29, v. 34 - 35. Für die logische Figur vgl. oben S. 113 zu Kap. II, 5, S. 62.

Kapitel 6: Das Gleichnis nach 1. Sam. 15. Der Satz Agathons (eines Tragikers) nach Aristoteles Eth. Nicom. VI, 2, 1139 b 10.

Kapitel 7: Mth. 2, v. 11. "Bücher vom Schlußverfahren": Aristot. Analyt. prior I, 25, 41 b 36. "Der Lehrmeister" ist Petrus Lombardus (um 1150), dessen "vier Bücher Sentenzen" Grundlage des theologischen Universitätsunterrichts waren; Dante zitiert IV, 5,c. 3.

Kapitel 8: Mth. 16, v. 19. Joh. 20, v. 23.

Kapitel 9: Das Bild von den zwei Schwertern beruht auf Lukas 22, v. 38; es findet sich zuerst von Kaiser Heinrich IV. zugunsten des Kaisertums angeführt und wurde seitdem das berühmteste all dieser Gleichnisse. Dante gibt im 3. Absatz einen Überblick jenes Lukaskapitels. Die Petrus-Stellen des 4. Absatzes: Mth. 16, v. 15 - 16, 22 f.; 17, v. 4; 14, v. 28; 26, v 33, 35. Mark. 14, v. 29, 31. Luk. 22, v. 33. Joh. 13, v. 6, 8; 18, v. 10; 20, v. 6; 21, v. 7, 21. - Im Schlußabsatz: Mth. 10, v. 34 - 35; Apg. 1, v. 1.

Die sinngemäße Bibelauslegung, die Dante hier wählt, soll natürlich - wie die voraufgehenden Kapitel zeigen - der allegorischen nicht widersprechen; die Meinung ist vielmehr, daß die Allegorie auf festem Boden stehen müsse, wie sie ja immer die buchstäbliche Auslegung voraussetzt, und keine Willkür gestatte. Das Kapitel beweist darum auch nicht, daß die kirchliche Schwerterlehre falsch ist, sondern nur, daß sie sich nicht auf Lukas stützen kann. - Im früheren Mittelalter war die Allegorie noch unverbraucht, damals waren "historischer" und "mystischer" Sinn zwei Seiten derselben Sache. Erst allmählich wurde die Allegorie überspitzt, selbständig entwickelt, vom Buchstabensinn gelöst - und schon durch diese Gelöstheit fragwürdig auch im Sinne der früheren Zeit. Allegorie muß naiv sein; ist sie es nicht mehr, so ist Dantes Weg der Wirkung nach konservativer als das Fortspinnen der leeren Gleichnisse, das automatisch den Widerspruch der natürlichen Vernunft hervorruft.

Kapitel 10: Die berühmte konstantinische Schenkung gilt heute als eine päpstliche Urkundenfälschung des 8. Jahrhunderts. Um 1000 erlosch das Wissen um ihre Unechtheit völlig, erst seit dem 15. Jahrhundert begann sie mit historischen Argumenten angefochten zu werden. Dante widerlegt sie aus ihrer inneren Unmöglichkeit, worin ihm schon andre Verfechter des Kaiserrechtes vorangegangen waren.

Zitate: 4. Absatz: 1. Cor. 3, v. 11; Hohel. 8, v. 5. Letzter Absatz: Eth. Nicom. IV, 1, 1120 a 14. Mth. 10, v. 9 -10, Luk. 9, v. 3; 10, v. 4.

Zum Schlußabsatz: "Denn ersichtlich sind die wirkenden Wirkkräfte in geeigneten Empfängern schon angelegt" (videtur enim in patiente disposito actus activorum inesse). Dante geht hier wie öfter von der aristotelischscholastischen Einsicht aus, daß der Mensch gar nichts Fremdes annehmen kann, daß er vielmehr immer, wenn er Fremdes auf sich wirken läßt, nur die entsprechenden eignen Anlagen in sich entwickelt. "Noch niemand hat je begriffen, was seinem Wesen nicht entsprach." - Das Gleiche von der Seite des Handelnden her steht sehr deutlich Kap. I, 13 ausgesprochen.

Kapitel 11: Hadrian I. berief Karl im Jahr 774 gegen Desiderins; die Kaiserkrönung von 800 aber geschah durch Leo III., als nicht Michael, sondern Irene in Konstantinopel herrschte. - Otto der Große setzte 964 Benedikt XV. ab und Leo VIII. wieder ein.

Kapitel 12: Das Prinzip nach Aristoteles' Metaphysik (= Erste Philosophie) IX, 1, 1052 b 18. Im 3. Absatz: Eth. Nicom. X, 5, 1176 a 16.

Zum Gehalt des 3. Absatzes vgl. die Vorrede S. 17. Logisch ist hier Bekanntschaft mit den Begriffen der aristotelischen Erkenntnistheorie vorausgesetzt, doch wird der Leser auch ohne sie das Wichtige erfassen können; die Übersetzung sucht dazu zu helfen. Es wurde verdeutscht: Praedica-mentum (Aristoteles' "Kategorie") mit Denkbereich; substantia mit Wesenheit; accidens mit das Äußerliche; forma substantialis und accidentalis: die in ihm wesende und die äußerliche Form.

Der Schlußabsatz enthält die (der Herkunft nach neuplatonische) Vorstellung, daß alles Geistige wie alles Sinnliche sich aus dem Höchsteinen entfaltet, daß auch das Geistigste nie Abstraktion, sondern immer Realität ist und als Realität von den himmlischen Sfären treppenweise zur Erde niedersteigt. So steht hier zu oberst Gott und das Verhältnis schlechthin, als reine Form; hieraus entwickelt sich das besondre Verhältnis der Überordnung und muß, da es nicht als leerer Begriff gemeint ist, wieder in einem wirklichen Wesen höherer Art Gestalt werden; man kann dafür an eine der neun Engelsordnungen denken, etwa an die "Throne" oder die "Herrschaften" (Dominationes), von denen der 18. - 22. Gesang des Paradieses künden; und hieraus entwickeln sich abermals die irdischen Verhältnisse von Papsttum und Kaisertum, versinnlicht in Papst und Kaiser. Nur gehen Papst und Kaiser als Erdenwesen nicht völlig in dem Verhältnis auf, das sie darleben, sondern weisen als Menschen auf den normhaften Menschen zurück.

Kapitel 13: Zitate: 3. Absatz: Apostelgesch. 25, v. 10; 27, v. 24; 28, v. 19, verbunden mit Psalm 32 (33), v. 19. "Er, der gesagt hat: ich habe Lust abzuscheiden..." ist Paulus, Philipp. 1, v. 23. - Letzter Absatz: 3. Mos. 2, v. 11; 11, v. 43.

Kapitel 14: Zitate: 2. Absatz: Mth. 16, v. 18, Joh. 17, v. 4. 4. Mos. 18, v. 20, Mth. 10, v. 9. "Bücher vom Sein schlechthin": Aristoteles' Metaphysik VIII, 8, 1049 b 24; vgl. Kap. I, 13, auch oben S. 116 zu Kap. III, 10 Schlußabsatz.

Kapitel 15: Zitate: 2. Absatz: "Naturlehre", Aristot. Physik II, 1, 193 b 6. Joh. 13, v. 15; 21, v. 19; 18, v. 36. - 3. Absatz: Ps. 94 (95), v. 5. - Letzter Absatz: "Lehre von den Kategorien": Arist. Categ. 12, 14 b 18.

Kapitel I6: 2. Absatz: der Vergleich mit dem Horizont findet sich z.B. im Liber de causis (vgl. oben zu I, 11) Kap. 2. - "Im 2. Buch von der Seele", Kap. 2, 413 b 26.

Schlußabsatz: Daß sich der Kaiser zum Papst wie der erstgeborene Sohn zum Vater verhalte, hatte im II. Jahrhundert von kirchlichem Standpunkt aus Peter Damiani gelehrt; es war die allgemeine, besonders dann von Friedrich II. immer wieder betonte Vorstellung.