Seelen-Reise Nr. 2(14)

 

Für Joschi
und Julchen,
den beiden großen
"Schwarzen"
in meiner See

 

Ein Tier ist gestorben - Abschied

 

Vorbemerkung:

Diese Seelen-Reise behandelt den Abschied von einem Tier, das zu einem wichtigen Teil deines Lebens geworden ist und das gestorben ist - oder anderweitig so aus deinem Leben verschwunden ist (weggelaufen etc.), daß keine Chance auf eine Wiederkehr mehr besteht.

Sein Tod oder sein Verschwinden muß nicht gestern erfolgt sein. Manche Menschen verwinden viele Jahre nicht den Tod eines treuen Begleiters ihrer Seele. Und so kann diese Reise auch noch Jahre nach seinem Tod zu einem lösenden Abschieds-Ritual für dich werden.

 

Teil 1

Ein Haustier ist ein eigenartiges Wesen.

Je länger es mit dir lebt,

je mehr du es in dein Inneres aufgenommen hast,

desto mehr geht eine Verwandlung vor

- in dem Tier

- und auch in dir!

Freilich, derartiges geschieht nicht bei jedem Menschen,

denn nicht jeder Mensch nimmt ein Tier in seine Seele auf.

Und es geschieht auch nicht mit jedem Tier,

denn nicht jedes Tier hat die Gabe,

seine Gattung zu verlassen

und sich auf die Seite der menschlichen Gattung zu stellen.

Aber immer dort, wo es geschieht,

da findet eine wirkliche Wandlung statt.

Und wo diese Wandlung stattgefunden hat,

da gibt es einen großen Schmerz

in der Seele des Menschen,

wenn dieses Tier stirbt.

 

Doch bevor wir uns

deinem verstorbenen Tier,

deinem verstorbenen Seelen-Kameraden zuwenden,

wollen wir uns einen Moment anschauen,

was eigentlich geschieht,

wenn Mensch und Tier sich näherkommen.

 

Ein Tier ist als erstes ein Tier.

Ein Wesen, das Gefühle hat - genau wie du,

das körperlichen Schmerz empfindet - genau wie du,

das ƒngste hat - genau wie du

und das Wünsche und Bedürfnisse hat - genau wie du!

Kurzum, ein Tier ist ein Wesen,

das eine Seele hat.

Genau wie du!

Natürlich, die Seele des Tieres

ist auf andere Dinge ausgerichtet

als deine Seele.

So wie du, der du ein Mensch bist,

auf andere Menschen hin orientiert bist

und an andere Menschen

und an menschliche Dinge

deine Bedürfnisse richtest,

so ist das Tier, weil es ein Tier ist,

erst einmal auf andere Tiere hin orientiert

und es richtet seine Bedürfnisse

auf andere Tiere und auf tierische Dinge.

Wenn aber jetzt ein Tier zum Menschen kommt,

wenn es also, wie man so schön sagt, "domestiziert" wird,

dann geschieht etwas eigenartiges.

Es gerät mit seinen tierischen Bedürfnissen

in den Bannkreis einer anderen Gattung.

Einer Gattung, die eigentlich seiner Natur fremd ist.

Und es findet ein Austausch statt:

Der Mensch gibt dem Tier Menschliches.

Und das Tier nimmt vom Menschen Menschliches!

Damit aber verläßt das Tier mehr und mehr -

je länger die Beziehung dauert - sein Tierisches

und es verläßt damit seine Herkunft.

Es ist nicht mehr nur Hund oder Katze oder Vogel,

es wird zum Menschenhund, zur Menschenkatze,

zum Menschenvogel - um nur ein paar Tierarten zu nennen.

Es fällt gleichsam ein Stück weit

aus seiner tierischen Natur heraus

und tritt über - in die Nähe der menschlichen Natur.

Ja, es tritt über!

Und damit verläßt es seine alte Heimat.

Es verliert seine Herkunft.

Es macht einen Sprung.

Vom Tierischen zum Menschlichen.

Natürlich lernt es dabei nicht sprechen oder autofahren.

Nein, es bleibt im körperlichen Rahmen

seiner tierischen Möglichkeiten.

Aber seelisch geschieht etwas tiefgreifendes:

Das Tier tritt seelisch über!

Die Wandlung findet nämlich seelisch statt.

Es entwickelt beim Übertritt

- in die Nähe zum Menschen -

Gefühle, die es in seiner Welt so nicht gab.

Müßten wir diese Gefühle

mit menschlichen Worten ausdrücken,

so würden wir sagen:

- Gefühle von Treue

- Gefühle von Liebe

- Gefühle von Dankbarkeit.

Oder jedenfalls Formen davon,

die das Tier vorher in seiner Welt so nicht kannte.

 

Aber nicht nur das Tier entwickelt

neue Formen der Gefühle.

Nein, auch der Mensch

entdeckt Gefühlsregungen,

die er so in sich ebenfalls noch nicht kannte:

- er öffnet sich

- er wird weicher

- er entwickelt Zu-Neigung und Mit-Gefühl,

kurz, er entdeckt Gefühle in sich,

die er - mitunter - gegenüber anderen Menschen

so schon lange nicht mehr gefühlt hat.

Das heißt: Auch der Mensch nimmt vom Tier etwas.

Er antwortet auf die Gefühle des Tieres

ebenfalls mit neuen Gefühlen.

Seine Seele wird berührt und sie antwortet!

 

Aus diesem Spiel des Geben und Nehmens

zwischen Mensch und Tier

wird oft etwas Negatives gemacht

und manche Menschen kritisieren,

daß andere Menschen eine größere Liebe

zu ihrem Dackel empfinden als zu ihren Mitmenschen.

Nun, es mag sein, daß das mitunter so ist

und etliche Menschen antworten auf dieses Argument,

daß eben noch nie ein Tier sie so enttäuscht habe,

noch nie ein Tier ihnen so untreu gewesen sei,

wie eben der Mensch.

 

Wir werden auf diese Argumente hier nicht eingehen.

Es werden hier ƒpfel mit Birnen vermischt.

Tatsache aber ist,

daß ein Tier seinen Menschen liebt!

Und zwar meist mit einer derart bedingungslosen Liebe,

daß viele Menschen in ihrem ganzen Leben

noch nicht eine solche Nähe und Liebe erlebt haben.

 

Und noch etwas kommt ins Spiel:

Jedes Tier, das an die Seele eines Menschen rührt,

landet dort in einer inneren Kammer,

die eigentlich für Kinder reserviert ist.

Das aber heißt:

Der Mensch, der ein Tier zu sich holt,

empfindet ihm gegenüber - immer - Gefühle,

die das Kindliche in ihm anrühren.

Und das wird sich

sein ganzes Tierleben lang nicht ändern.

Tiere sind für die Seele des Menschen

Kinder, die nie erwachsen werden!

Nie wird ein Tier zu einem Partner,

der gleichberechtigt sein wird.

Immer bleibt das Tier

(jedenfalls für die Seele des Menschen)

ein Kind.

 

Und wenn das Tier dann stirbt,

dann reagiert die Seele des Menschen darauf

in ähnlicher Weise wie wenn ein Kind stirbt.

 

Was ist nun aber der Mensch für das Tier?

Nun, sagen die Biologen,

er ist erst einmal das Leittier - der Stärkere.

Er ist derjenige, dessen Führung anerkannt wird.

Ja, das ist eine Blickrichtung,

die für wilde Tiere stimmen mag.

Verliert aber das Tier seine Wildheit,

wird es domestiziert und damit mehr und mehr

mit der Seele des Menschen vertraut,

so übernimmt der Mensch für das Tier eine Funktion,

die man durchaus als die Funktion

des Elterntieres bezeichnen kann.

Der Mensch wird für das Tier

mehr und mehr Eltern.

Nur so ist es zu erklären,

daß manche Hunde beim Tode ihres Menschen

sich ebenfalls weigern weiterzuleben.

Der Hund ist dann treu

und er folgt seinen Eltern in den Tod.

Nun, ich habe gehört,

daß das auch umgekehrt möglich ist.

Besonders bei älteren Menschen kann es vorkommen,

daß ein Hund, eine Katze, ein Vogel,

der sie treu während der letzten

zwanzig Jahre begleitet hat,

mit seinem Tod auch ihnen

den letzten Mut zum Leben genommen hat.

Und wer wollte sich darüber erheben

oder sich gar ein Urteil darüber anmaßen?

 

Tiere berühren unsere Seele

und ich vermute, daß das die wichtige Aufgabe ist,

die das Schicksal ihnen anvertraut hat.

 

Teil 2

Du, der du heute meine Worte hörst,

stellst dir noch einmal jenes Tier,

um das es bei deiner heutigen Reise gehen soll,

vor dein inneres Auge.

Es kann sein, daß du glaubst:

es sei schon so lange tot,

daß du Schwierigkeiten hättest,

dich an es zu erinnern.

Aber das ist nicht wahr.

Denn in deiner Seele lebt dieses Tier weiter

und es wird immer dort weiterleben,

bis ans Ende deiner Tage.

Denn jedes Tier,

das du einmal in dein Herz geschlossen,

hat auf eine geheimnisvolle Weise

mitgebaut am Haus deiner Seele.

Es hat in dem großen Gebäude deiner Seele

sich ein Zimmer erwirkt und erbaut

und deine Seele damit vergrößert.

Und dort, in diesem Raum, lebt es weiter!

Es kann sein, du bist lange nicht mehr dortgewesen.

Aus Schmerz, aus Traurigkeit, aus Schuldgefühlen

und vielleicht weil du vergessen wolltest.

Aber der Raum ist da!

Und dein Atem kennt diesen Raum.

Und so gibst du jetzt deinem Atem

wieder dein Vertrauen;

so wie du es schon einige Male getan hast.

Jenes Vertrauen, das er dich führen darf:

Dorthin, wo du aus eigenem Antrieb

nur sehr selten hingelangen willst.

In die Räume und Kammern deiner Seele,

in denen jene Wesenheiten sich aufhalten,

die zu deinem Leben gehören

oder die einmal dazugehört haben.

Und du erinnerst dich an den Namen deines Tieres.

Und du ahnst, daß der Name es war,

der deinem Tier den Übertritt

in deine Seele ermöglicht hat.

Und du nimmst den Namen mit in den Atem hinein.

Während du also sanft und ganz bewußt

ein- und ausatmest,

sagst du innerlich, ebenso sanft und ebenso bewußt,

den Namen deines verstorbenen Tieres.

So, als wolltest du es von weitem rufen.

Und je mehr du deinem Atem lauscht,

desto mehr merkst du,

daß das Ein und Aus und dein stilles Rufen,

nicht etwa das Tier näher zu dir bringt,

nein, du merkst, daß das Tier dir - deiner Seele -

immer nahe war; nur du hast dich entfernt!

Und so kommst du,

mit dem Ein und Aus deines Atems,

deinem Tier und damit dir selbst näher.

Und je tiefer du in dein Inneres gelangst,

desto näher kommst du dir

und deinem gestorbenen Tier.

Ein und Aus und näher.

 

Teil 3

Und dann siehst du es auch schon

in einiger Entfernung vor dir!

Es kann sein,

daß es in einer wunderschönen Landschaft

sich befindet.

Und es kann sein,

daß es sich auf seinem Lieblingsplatz

(den es schon zu Lebzeiten hatte)

im Inneren deiner Seele gemütlich gemacht hat.

Wo immer du es - in einiger Entfernung - vor dir siehst,

dein Atem trägt dich noch näher.

Und dann siehst du auch,

daß dein Tier dich anschaut,

je näher du kommst.

Es schaut dich unverwandt an.

Atme!

Atme dich noch näher!

(15 Sekunden)

Und angenommen, dein Tier wäre ein Kater

und er hieße "Joschi",

dann schaust du ihn an,

du schaust ihm in die Augen

und dann sagst du zu ihm

(und du sagst es wirklich laut):

 

"Lieber Joschi

(oder wie immer das Tier heißt)

ich habe so viel von dir bekommen!"

 

"Du hast mir so viel gegeben!"

 

"Ich wußte es vorher nicht,

daß Tiere so viel geben können!"

 

"Aber du hast es mir gezeigt!"

 

"Du hast mein Leben so reich gemacht!"

 

"Und als du von mir gegangen bist,

da war ich unendlich traurig."

(15 Sekunden)

 

Und dann erinnerst du dich wieder

an den Tag, an dem dein Tier gestorben ist

- oder es anderweitig verschwand.

Ja, du atmest jetzt die Erinnerung herbei.

Wie es war - damals - als dein Tier dich verlassen hat.

Und wie du dich gefühlt hast.

(15 Sekunden)

Du spürst deine Traurigkeit über den Verlust.

Und diese Traurigkeit darf jetzt dasein.

Sie kommt mit deinem Atem

aus deiner Vergangenheit zu dir zurück.

(15 Sekunden)

Und auch während du dich jetzt zurückerinnerst

an die Tage der Trauer,

ist das Tier im Inneren deiner Seele

nach wie vor anwesend

und schaut dich weiter unverwandt an.

(15 Sekunden)

Und bei manchen Menschen

kommt noch etwas anderes ins Spiel.

Wenn sie an ihr Tier denken,

dann beschleicht sie mitunter

ein tiefes Gefühl von Schuld:

Oft glauben sie, sie hätten nicht alles getan,

um den Tod abwenden zu können.

Manche werfen sich vor,

sie seien mit ihrem Tier zu spät

(oder gar nicht) zu einem Tierarzt gegangen.

Oder sie hätten nicht genügend aufgepaßt,

so daß ihr Tier überfahren werden konnte

oder anderweitig verunglücken mußte.

Wieder andere konnten dem Tod ihres Tieres

nicht ins Antlitz schauen.

Und so haben sie es an der Tür zur

Tierklinik abgegeben

- wissend, daß sie es nie wieder sehen würden.

Und so mußte das Tier seinen letzten Gang

ohne den Menschen,

dem es so treu gedient hatte, antreten.

Meist wurde ihm dann noch nicht einmal

eine Grabstätte zugestanden.

(10 Sekunden)

Ja, es gibt viele Formen, wie der Mensch

in seinem Inneren ein Gefühl der Schuld

- seinem treuen Begleiter gegenüber - empfinden kann.

Und so spürst du jetzt - mit deinem Atem -

und im Angesicht deines Tieres

in dein Inneres hinein und schaust,

ob in deiner Seele ebenfalls

ein Gefühl der Schuld sich breitmacht.

(15 Sekunden)

Und dann, wenn das der Fall ist,

dann schaust du dein Tier an,

du schaust ihm wieder direkt ins Antlitz

und du sagst dann - wieder laut - die Worte:

 

"Ich hatte damals nicht die Kraft,

es anders zu machen."

 

"Aber vor allem hatte ich nicht die Kraft,

mich zu meiner Schuld dir gegenüber

zu bekennen."

 

"Heute aber will ich diese Schuld

auf mich nehmen."

 

"Dir zu ehren."

 

"Wenn ich also etwas falsch gemacht haben sollte,

so bin ich jetzt bereit, es zu tragen."

 

"Meine Schuld an dir

- sie gehört mir!"

(15 Sekunden)

 

Und wieder sprichst du dein Tier direkt an.

Wenn es also ein Kater war und er hieß "Joschi",

dann sagst du laut:

 

"Lieber Joschi,

du fehlst mir sehr."

 

"Noch heute, nach dieser langen Zeit,

fehlst du mir."

 

"Du hast mir damals so viel gegeben."

 

"Und du hast mir so viel bedeutet."

 

"Doch jetzt ist es Zeit,

daß wir beide Abschied nehmen."

 

"Ich werde dich nie vergessen."

 

"Der Raum im Inneren meiner Seele,

den du mir geöffnet

und den du mir geschenkt hast,

wird immer deinen Namen tragen."

 

"Du hast mein Herz weit gemacht."

 

"Und dafür danke ich dir."

 

Wie schaut dein Tier dich jetzt an?

(15 Sekunden)

Und dann zum Abschied sagst du:

 

"Lebe wohl!"

 

"Du kannst jetzt gehen!"

 

"Ich gebe dich frei!"

 

"Geh' mit dem Wind!"

 

Und dann wendet dein Tier sich ab und geht.

Aber der Raum im Inneren deiner Seele,

in dem dieses Tier einmal gelebt hat,

bleibt in seiner ganzen Helligkeit

und Stärke und Schönheit zurück.

Er gehört dir.

(15 Sekunden)

 

Teil 4

Und jetzt wendest auch du dich ab.

Auch du gehst jetzt wieder deiner Wege

- zurück ins Leben.

Aber als erstes gehst du zu deinem Atem

und wendest dich an ihn mit der Bitte,

dich zurück in die Welt des Tages emporzubringen.

Und sanft trägt er dich wieder nach oben.

In die Regionen der Wachheit

und der Beweglichkeit.

Und dann melden sich auch schon wieder

deine Glieder mit dem Wunsch,

sich zu regen,

sich zu recken,

sich zu strecken.

Und nach fünf weiteren

erfrischenden Atemzügen,

bist du dann wieder ganz WACH.


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