Seelen-Reise Nr. 4 (16)

 

"Gern hab ich die Frauen geküßt."
(Johannes Heesters)

 

Der "Liebling der Frauen"

 

Vorbemerkung: Diese Seelen-Reise befindet sich in einem Dilemma, das folgendermaßen aussieht: Männer, auf die dieses Thema zutrifft, die also "Frauen-Lieblinge" sind, wissen das nicht. Das heißt, sie halten sich nicht für solche! Sie haben ja bereits - wie sie glauben - ihre Fähigkeit für eine feste Beziehung in einer Ehe (oder gar in mehreren) unter Beweis gestellt.

Frauen wiederum, die mit einem derartigen Mann liiert sind, wissen natürlich sofort, wovon diese Reise handelt und daß ihr momentaner Beziehungspartner zu diesem Personenkreis gehört. Es könnte sein, daß sie jetzt thriumphierend ihren Partner anschauen und sagen: "Genau! Das bist du!" Und es kann sein, daß sie ihn drängen, auf jeden Fall diese "Reise" zu machen.

- Und damit fallen sie automatisch in die Nähe jener Mütter (von denen diese Reise handelt), die ihrem Sohn einen Auftrag geben.

Wie man aus diesem Dilemma herausfindet?

Nun: Diesen Frauen würde es helfen, wenn sie selbst zuvor die Seelen-Reise Nr. 3 (15) "Ich bin eine Geliebte" machen. Denn es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß eine Frau, die mit einem "Frauen-Liebling" in einer Beziehung ist, selbst ein Treue-Thema (gegenüber ihrem Vater) hat. Und daß sie erst dieses Thema lösen sollte, bevor sie bei ihrem Partner eine Lösung von der Mutter herbeizuführen bestrebt sein darf.

 

Teil 1

Eine starke Frau hat einmal gesagt:

"Die wirklich interessanten Männer

sind entweder schwul oder in festen Händen."

Aber das ist, bei Licht besehen, nicht ganz richtig.

Denn es gibt eine Art von interessanten Männern,

- und es sind meist die sehr attraktiven -

die sind nicht schwul und sie sind

- im eigentlichen Sinne -

nie in festen Händen!

Doch, natürlich, manchmal sind sie

für ein paar Monate (mitunter auch Jahre)

in einer Beziehung oder gar in einer Ehe.

Doch das hält nicht lange.

Mitunter sind sie sogar seit zehn Jahren

verheiratet und trotzdem sind sie nicht

in einer festen Beziehung.

Denn spätestens nach sieben Ehejahren

(die meisten sehr viel früher) haben sie

die Beziehung (oder Ehe) bereits verlassen.

Auch wenn es von außen so aussieht,

als seien sie noch mitten darinnen.

Sie haben dann eine heimliche

(oder gar nicht so heimliche) Geliebte

und haben ihre Partnerin schon einige Male betrogen,

und das Feste ist etwas sehr Flüssiges geworden.

Und früher oder später sind sie wieder auf dem Markt.

Und die meisten bleiben dort

- mit kurzen Unterbrechungen -

ihr Leben lang.

Und als Frau kann man derartige Männer

- wenn man das will - relativ leicht erkennen,

denn es gibt zwei Merkmale,

die sie auszeichnen.

Das eine: Ihr Aussehen ist sehr attraktiv, ja, männlich,

und sie sind für Frauen von einer enormen Anziehungskraft.

Und das andere: Sie haben - Frauen gegenüber -

ein geradezu unverschämtes Selbstbewußtsein.

Nie kämen sie auf den Gedanken,

Frauen - wie man heute sagt - "anzumachen".

Sie haben das gar nicht nötig.

Weder arbeiten sie mit Tricks,

noch mit Verführungskünsten

- sie sind einfach sie selbst.

Und das reicht.

Um es einmal in einem Bild zu sagen:

Sie sondern einen Duftstoff ab,

der auf Frauen unwiderstehlich wirkt.

Und auf der Flasche dieses Herrenduftes

steht das englische Wort "Knight".

(Nein, nicht "Night" - "die Nacht",

sondern "Knight" - "Der Ritter".)

Ja, es sind in der Tat sehr ritterliche Persönlichkeiten.

Nein, es sind keine Machos!

Sie sind, so erscheint es den Frauen oft

(für eine längere Zeit zumindest),

tatsächlich ohne "Fehl und Tadel".

Weder müssen sie mit ihrer Kraft protzen

noch mit ihrem Autoschlüssel

und auch für die "Sportschau"

haben sie meist kaum etwas übrig!

Und das Spiel des Vergleichens der Länge von Penissen

haben sie bereits in ihrer Jugend nicht mitgespielt.

Was also macht sie so unverschämt selbstsicher

und damit (für Frauen) so begehrenswert?

Und für Männer so beneidenswert?

Warum spielen sie das normale männliche Spiel,

die Jagd nach attraktiven weiblichen Wesen, nicht mit.

Warum haben sie es nicht nötig?

 

Bevor wir versuchen wollen,

in die Nähe einer Antwort zu kommen,

und bevor wir diesem beschriebenen Männer-Typus

ein Unrecht antun,

schauen wir erst einmal durch seine Augen.

Auch sie bedauern ihren eigenen Weg zutiefst.

Auch sie wünschen sich, daß endliche jene Frau käme,

bei der sie bleiben könnten.

Auch sie leiden darunter,

daß eine jede Beziehung oder Ehe

früher oder später zuende geht.

Ja, sie empfinden oft sogar ein tiefes Mitgefühl

ihren Partnerinnen gegenüber,

wenn die Beziehung sich wieder löst.

Und doch können sie daran nichts ändern:

Es löst sich halt.

Scheinbar ohne ihr Dazutun.

Und sie ahnen nicht,

daß sie sich hier in einem Spiel befinden,

daß so alt ist, wie die aufgeschriebene Geschichte.

Wolfram von Eschenbach hat diese Geschichte

in seinem Versepos "Parzival"

für unsere abendländische Kultur

im Jahre Zwölfhundert noch einmal niedergeschrieben

und damit erneuert:

Parzival zieht in die Welt

und er ist ein ritterlicher Held.

Er ist ein wirklich edler Kavallier

und er trifft auf seinem Weg viele Frauen

- doch bei keiner kann er bleiben.

Denn im Hintergrund seiner Reise,

Eschenbach erzählt es sehr genau,

steht eine Gestalt, die er nie verläßt: Seine Mutter.

Und deren Regeln,

die sie ihm mit auf den Weg gegeben hat,

von ihm lange lange Jahre getreulich befolgt werden.

Sie ist die Figur, die aus dem Hintergrund

sein Leben gestaltet.

Ja, diese alte Geschichte wirkt bis auf den heutigen Tag!

Herzeloyde, Parzivals Mutter, wollte auf keinen Fall,

daß ihr Sohn so wird wie sein Vater: Ein Mann.

Sie will, daß er bei ihr bleibt, bei seiner Mutter.

Daß er ihr - nach dem Tod des Vaters - zur Seite steht.

Und das "Leid ihres Herzens",

denn das ist ihr Name: "Herzeloyde",

mit ihr trägt.

Aber da sie seinen Auszug - hinaus in die Welt -

nicht verhindern kann,

gibt sie ihm wenigstens ihre Aufträge mit auf den Weg.

(Damit das Band zwischen ihr und ihm nicht zerreißt.)

Und einer der Aufträge

- und zwar nicht einmal der wichtigste -

lautet:

"Kannst du von einer edlen Frau

Ring und freudlichen Gruß erringen,

so greife zu,

denn es vertreibt alle trüben Gedanken.

Zögere nicht lange beim Küssen

und schließe sie fest in die Arme.

Wenn sie keusch und rechtschaffen sind,

erlangst du Glück und edle Sinne."

Ja, unser Ritter sucht das Keusche und das Edle,

wie es seine Mutter ihm geboten.

Aber unter all den Aufträgen liegt die Not der Mutter,

die er nicht lindern kann

und Parzival kennt diese Not.

Sie läßt sich zusammenziehen

zu dem Aufschrei und dem Auftrag,

der unterschwellig von der Mutter

ebenfalls erteilt wird. Er lautet:

"Mein Sohn, du darfst nicht werden wie dein Vater!

Und vor allem: Du darfst mich,

deine Mutter, nie verlassen!"

 

Und auch achthundert Jahre nach Eschenbach

führen Söhne diesen Auftrag

weiterhin getreulich durch.

Und wissen es nicht!

Ja, auch heute reiten ritterliche Söhne durch die Welt,

suchen edle und keusche Frauen,

die ihnen ihre "trüben Gedanken" vertreiben dürfen,

doch auch sie bleiben ihrem mütterlichen Auftrag treu:

Sie haben ihre notleidenden Mütter nie verlassen!

Und sie gehen deshalb nicht in eine feste Beziehung,

weil sie längst in einer festen Bindung sind

- ohne es zu wissen.

Und sie behandeln Frauen tatsächlich

ritterlich und mit großem Edelmut,

so lange - bis sie weiterreiten müssen.

Denn der Auftrag der Mütter lautet auch:

"Reite durch die Welt, mein Junge,

lerne von weisen alten Männern,

liebe die Frauen,

räche dich für alles, was man uns angetan hat.

Und dann kehre nach Hause zurück!

Zu deiner Mutter."

(Alles Aufträge, die Parzival hatte.)

 

Parzivals Mutter stirbt,

sofort nachdem er losgeritten ist,

an ihrem Kummer - daß sie es nicht verhindern konnte.

Und doch - er weiß es nicht - erfüllt er alle ihre Aufträge.

Auch dieses Bild hilft uns sehr deutlich weiter:

Denn auch bei unseren heutigen ritterlichen Helden,

werden diese Aufträge nicht etwa

mit dem Tode der Mütter hinfällig.

Nein, an ihnen wird dann

nur umso getreulicher festgehalten.

 

Teil 2

Und jetzt wendest du dich wieder deinem Atem zu.

Ganz bewußt und voller Vertrauen

gibst du dich wieder diesem Seelen-Führer hin.

Läßt dich von ihm leiten,

wieder darf er vorausgehen.

Und diesmal führt dich der Atem

durch ganz besondere

Landschaften deines Lebens.

Es sind die Landschaften deiner Beziehungen.

Und während du jetzt weiteratmest,

wird etwas eigenartiges

mit dir und in deinem Körper vor sich gehen.

Du atmest tief ein und tief aus.

Und du verwandest dich

- mit deinem Atem -

in einen stolzen Ritter - auf seinem Pferd.

Ja, du ziehst durch die Welt

und du bist stark!

Und es ist nicht etwa so, daß du

in einer stählernen Rüstung daherreitest.

Nein, die Rüstung legst du nur an,

wenn es zum Kampf geht.

Deine Rüstung und deine Waffen

liegen wohlverpackt in einem Bündel

hinten auf deinem Pferd.

Du trägst ein stolzes Gewand

und du reitest guten Mutes durch dein Leben.

Und die schönen und edlen Frauen deines Lebens

werden gleich als Stationen

an deinem Wegesrand erscheinen.

Du reitest also durch die Welt

der Beziehungen deines Lebens.

Und während du weiteratmest,

- tief ein und aus -

wird am Wegesrand bald jenes Haus erscheinen,

in dem du einen großen Teil

der ersten Beziehung deines Lebens verbracht hast.

Und die Frau oder das Mädchen,

das damals dazugehört hat,

wird sich ebenfalls vor diesem Haus zeigen.

Und wenn deine erste Beziehungpartnerin

"Johanna" geheißen haben mag,

so wird gleich

- durch deinen Atem herbeigeholt -

diese Johanna vor oder neben dem Haus auftauchen.

Störe dich nicht daran, daß du damals

nicht mit einem Pferd, sondern vielleicht

mit einem Opel Kadett vorgeritten bist.

Das sind ƒußerlichkeiten,

heute reitest du mit deinem Pferd zu diesem Haus.

Und du atmest jetzt deine erste

Beziehungpartnerin herbei.

(20 Sekunden)

Und oft ist es so, daß ein Ritter

nicht nur als ein starker Mann auftaucht,

oft ist es so, daß er die Frau,

der er begegnet, auch auf die eine

oder andere Weise errettet.

Denn das gehört zu dem Beruf eines Ritters:

Daß er die Frau aus einer als unerträglich

empfundenen Situation auch tatsächlich befreit.

Manchmal befreit er sie aus einem ärmlichen Elternhaus,

manchmal aus einer bedrückenden Ehe.

Was es auch sei.

Du schaust dir an,

ob auch du deine erste Partnerin

in einer gewissen Weise errettet hast.

Und wenn dem so ist,

woraus du sie errettet hast.

(20 Sekunden)

Und dann - nach einiger Zeit -

vielleicht nach Monaten , vielleicht nach Jahren,

nachdem du sie zu der Deinen gemacht hast,

nachdem du sie vielleicht gerettet hast,

fasst dich ein unwiderstehliches Verlangen:

Du mußt weiterziehen!

Du mußt wieder in die Welt!

Du weißt, du wirst ihr wehtun damit.

Aber dein Pferd und deine Rüstung rufen dich.

Und du schaust dir jetzt an,

wie dieser schmerzhafte Abschied sich gestaltet.

(20 Sekunden)

Und jetzt bist du wieder in der Welt der Abenteuer.

Du bist wieder frei.

Doch du weißt schon:

Eine neue Schöne und Edle

wartet schon darauf, von dir und

deinem strahlenden Rittertum ergriffen zu werden.

Und vielleicht sogar: Errettet zu werden.

Du hast jetzt wieder genügend Zeit,

deine nächste Partnerschaft zu betrachten.

Und zwar hintereinander:

Anfang, Mitte und Ende.

Atme und schau dir deine zweite Beziehung an!

(20 Sekunden)

Und auch hier gilt es wieder, Abschied zu nehmen.

Und auch auch hier tut es wieder weh!

Ihr und dir.

(10 Sekunden)

Und wieder besteigst du dein edles Pferd

und wieder reitest du in die Welt.

Es kann sein, daß es noch einige

weitere derartigen Wegstrecken

und Häuser und Partnerschaften gibt.

Einige Unterbrechungen auf deinem

ritterlichen Weg durch die Welt.

Und es ist jetzt nicht mehr nötig,

daß du bei deinen Betrachtungen

- jetzt - jedesmal absteigst.

Du kannst langsam an diesen Häusern

und an diesen Beziehungspartner

vorbeireiten. Langsam!

Und die jeweiligen Partnerinnen

stehen vor dem Haus

und schauen dich einfach nur an

- während du langsam vorbeiziehst.

Reite also jetzt langsam

an den Orten und Menschen

deiner weiteren Beziehungen vorbei.

(20 Sekunden)

Und dann kommst du zu deiner

jetzigen Beziehung

oder - wenn du gerade keine hast -

zu deiner letzten Beziehung.

Hier reitest du nicht vorbei.

Du hälst dein Pferd an.

Aber du steigst nicht ab.

Und wenn du deine heutige Beziehung vor Augen hast,

dann kannst du genau sehen,

ob sie sich noch am Anfang befindet,

ob sie den Zenith schon überschritten hat,

oder ob du - in Gedanken oder auch real -

dein Pferd bereits wieder sattelst.

Du schaust deine heutige Partnerin nur an!

Und du kannst alles sehen!

(20 Sekunden)

Du schaust sie lange an.

Und dann wird es dunkel rings umher.

Deine Partnerin verblaßt

und Dunkelheit macht sich breit - tiefe Dunkelheit.

Und du sitzt immer noch auf deinem Pferd.

Du bist immer noch ein stolzer Ritter,

ein stolzer Ritter, der den Frauen das Heil bringen könnte.

Aber es ist niemand mehr da.

Nur noch Dunkelheit.

(10 Sekunden)

Und dann steigst du von deinem Pferd ab.

Und du gehst zu Fuß weiter,

dein Pferd am Zügel hinter dir herführend.

Hinein in die Dunkelheit.

Und dann - noch sehr weit vor dir -

siehst du ein leises Licht.

Als wäre es ein Theaterspot

und der Scheinwerfer beleuchtet eine Szene

- holt sie damit aus der Dunkelheit heraus.

Und du gehst näher,

gehst mit deinem Atem näher.

Und je mehr du dich näherst,

desto mehr Konturen kannst du erkennen.

Inmitten des sanften Lichterkegels siehst du ein Szene:

Eine Mutter und ihr kleiner Junge.

Und die Mutter - das siehst du sehr deutlich -

die Mutter leidet.

Es geht ihr in ihrem Leben sehr schlecht,

sie ist gebeugt von Kummer.

Auch sie heißt Herzeloyde, denn ihr Herz leidet.

Und ihr Junge, das kleine Kind, leidet noch mehr.

Er leidet, weil die Mutter so leidet.

Tränen laufen in dicken Bächen seine Wangen herab.

Und immer wieder stammelt das Kind,

unter Schluchzen:

"Mama!"

"Meine liebe Mama!"

Und du siehst, er versucht, ihr zu helfen.

Er versucht, sie zu trösten.

Hilflos und unbeholfen

versucht er ihre Wangen zu streicheln.

Sie möge doch aufhören, zu leiden.

Sie möge doch bitte aufhören zu leiden!

(20 Sekunden)

Und dann, in seiner größten Not,

sagt der kleine Junge die Sätze;

und du, der große Ritter, der die Szene beobachtet,

bewegst deine Lippen ebenfalls zu den Worten des Kindes,

denn du kennst die Worte längst.

Der Kleine sagt:

"Mama!

Ich werde dich nie verlassen!"

(10 Sekunden)

"Ich werde immer bei dir bleiben!"

(10 Sekunden)

Immer wieder sagt der kleine Junge diese Sätze.

Und du hast längst erkannt,

daß du der kleine Junge bist

und die Frau deine Mutter.

Und daß du vor vielen Jahren diese Sätze selbst

- sei es laut, sei es sehr leise - gesprochen hast.

(10 Sekunden)

Ja, du wolltest deine Mutter retten,

du wolltest ihr helfen.

Daß sie nicht mehr leiden muß.

Und du hast dich ihr versprochen!

 

Und noch etwas begreifst du:

Als der kleine Junge den Satz gesprochen hat:

"Ich werde dich nie verlassen!"

da hat er das getan mit einem Seitenblick

auf eine Gestalt, die am Rande des

Scheinwerferkegels steht.

Und diese Gestalt ist der Vater.

Und es erscheint dem kleinen Jungen so,

als hätte der Vater die Mutter verlassen.

Und als wäre er die Quelle ihres Leidens!

Aber das ist - heute kannst du es selbst sehen -

nicht wahr.

Deine Mutter trägt ihr Leiden in sich.

Schon seit langer Zeit.

Schon länger als sie deinen Vater kennt.

Und bereits ihr Mann, dein Vater,

hat ihr nicht helfen können.

Er steht hilflos - mit hängenden Schulter - im Schatten.

Niemand kann ihr helfen!

Und der kleine Junge schon gar nicht!

Aber das kann der kleine Junge nicht sehen.

Er sieht nur das Leid der Mutter.

Und er sieht seine Liebe zur Mutter.

Und wie gern er alles dafür geben würde,

daß sie nicht mehr so leiden muß.

(10 Sekunden)

Und jetzt hast DU genug gesehen!

Jetzt ist es Zeit, daß du eintrittst

in den Lichtkreis des Scheinwerfers.

Du nimmst die Zügel deines Pferdes

und du trittst ein in die Sichtbarkeit.

Und die anderer können dich jetzt

ein erstes Mal wahrnehmen.

Deine Mutter schaut auf und der kleine Junge,

der du selbst vor vielen Jahren einmal warst,

schaut ebenfalls auf.

Und auch die Schultern deines Vaters

erheben sich etwas.

Und du schaust deine Mutter an

und dann sagst du die Worte

- du sagst die Worte laut:

 

"Liebe Mutter!

Ich habe jetzt viele Jahre

und Jahrzehnte dir die Treue gehalten."

 

"Ich habe mein Versprechen bis heute gehalten."

 

"Ich habe dich nie verlassen!"

 

"Und ich habe - aus Treue zu dir -

alle Frauen, die in meinem Leben wichtig waren,

früher oder später verlassen."

 

"Ich habe sie deinetwegen verlassen."

 

"Nein, ich mache dir keine Vorwürfe,

ich habe es ja selbst getan!"

 

"Denn tief in mir habe ich geglaubt,

ich könne dir damit helfen."

 

"Heute muß ich erkennen,

daß das nicht möglich ist."

 

"Und das macht mich traurig."

 

"Aber in meiner Traurigkeit sehe ich auch:

Ich kann dir nicht helfen!"

 

(10 Sekunden)

"Ja, Mutter, das ist die traurige Wahrheit:

Ich kann dir nicht helfen!"

 

"Es tut mir so leid!"

(10 Sekunden)

 

"Die Wahrheit ist:

Ich bin nicht dein Retter,

ich bin nicht dein Ritter,

ich bin nur dein Kind!"

(10 Sekunden)

 

"Heute bin ich gekommen,

weil ich dir etwas zurückgeben möchte."

 

Und dann nimmst du dein Pferd

und führst es vor deine Mutter.

Du nimmst deine Rüstung vom Rücken des Pferdes

und legst sie vor deine Mutter auf die Erde.

Und das machst du auch mit deiner Lanze

und mit deinen anderen Waffen.

Und wieder sagst du - laut:

 

"Als ich damals ging,

nahm ich eine Rüstung, Waffen und ein edles Pferd mit.

 

"Und ich wollte dein Ritter sein.

Dein starker Held!"

 

"Und so war ich lange Jahre und Jahrzehnte

ein stolzer Ritter."

 

"Und an meiner Lanze

trug ich dein Tuch!"

 

"Heute lege ich das alles vor dir ab.

Ich brauche es nicht mehr."

 

"Ich will kein edler Ritter mehr sein."

 

"Und ich will nicht mehr auf

einem hohen Ross sitzen."

 

"Ich will nur noch ein Mann sein

und das tun, was Männer tun!"

 

"Du wirst immer meine Mutter sein und bleiben."

 

"Und dein Schicksal und dein Leiden tun mir leid."

 

"Aber ich kann es nicht ändern."

 

"Ich bin nicht dein Retter,

ich bin nur dein Sohn!"

 

Und dann beugst du dich hinunter auf die Erde

zu dem kleinen Kind und du nimmst es auf deine Arme.

(10 Sekunden)

Und wenn du Joachim heißt, dann sagst du:

 

"Und den kleinen Joachim

nehme ich jetzt an mich!"

 

"Er kann an deinem Leid nicht wachsen."

 

"Seine Tränen und seine Liebe zu dir

halten ihn klein und halten ihn fest."

 

"Hier ist nicht der richtige Platz für ihn!"

 

"Er gehört zu den Männern,

damit er lernen kann,

ein Mann zu werden."

 

"Bitte, sei freundlich,

wenn ich ihn jetzt zu seinem Platz bringe."

 

Und dann nimmst du das kleine Kind,

das du einmal warst,

und trägst es hinüber zu deinem Vater.

Du schaust deinen Vater und du sagst - wieder laut:

 

"Lieber Vater!

Jahrzehntelang habe ich dir die Schuld gegeben

für das Unglück meiner Mutter!"

 

"Heute weiß ich: Das war ein Unrecht.

Und heute tut es mir leid."

 

"Ja, ich habe mich über dich erhoben"

 

"Ich wollte edler und besser sein als Du!"

 

"Und ich habe dich

- als meinen Vater -

damit verstoßen."

 

"Heute weiß ich es besser:

Du bist mein Vater."

 

"Und von dir bekommen ich meine Kraft!"

 

"Und erst mit dir im Rücken

darf ich zu den Männer gehen!"

 

Und dann stellst du dich mit dem Rücken

vor deinen Vater.

Und dein Vater legt seine Hände

ruhig auf deinen Schultern.

Und dein kleines Kind stellt

sich jetzt mit dem Rücken vor dich.

Und du legst deine Hände auf seine Schultern.

Und während du das tust,

merkst du, daß dein Vater hinter dir

mit einem Mal sehr viel größer ist als du.

Und du ihm höchstens bis zur Hüfte gehst.

Genauso wie das kleine Kind vor dir

dir nur bis zu den Hüften geht.

Und fast erscheint es dir,

als ob auch dein Großvater,

der Vater deines Vaters hinter ihm steht

und ihm die Hände auf die Schultern legt.

Und auch er ist größer als dein Vater.

Und so steht ihr alle da.

Eine Weile.

Und die Kraft des Männlichen

in eurer Familie darf endlich

zwischen euch strömen.

Und fließen.

Und durch die Generationen hindurch

ihren Weg ungestört von oben nach unten nehmen.

(10 Sekunden)

Und dann - zum Abschluß -

drehst du dein kleines Kind um zu dir

und du sagst, du sagst es wieder laut, zu ihm:

 

"Lieber Joachim," (oder wie immer du heißt),

"ich werde jetzt gehen."

 

"Und ich werde dich eine ganze Weile

bei deinem Vater lassen.

 

"Hier kannst du wachsen!"

 

"Nur hier!"

 

"Hier ist dein Platz!"

 

"Und ich werde immer wiederkommen

und mich zu euch beiden stellen."

 

"So lange, bis dein Körper großgeworden ist.

So groß wie meiner."

 

"Und du und ich - wir beide -

einsgeworden sind."

"Ich weiß, daß mein Vater

jetzt über uns beide wachen wird.²

Und jetzt trittst du einen Schritt zurück.

Und du schaust jetzt deinen Vater

und dein kleines Kind an.

Was siehst du? (10 Sekunden)

Und jetzt wendest du dich wieder ab.

Du gehst deinen Weg in die Welt des Tages zurück.

 

Teil 4

Du schließt deine inneren Augen.

Und es wird wieder dunkel.

Dein Vater, deine Mutter, dein kleines Kind

ziehen sich wieder in das Innere deiner Seele zurück.

Und du wendest dich wieder

deinem Atem zu.

Tief ein und tief aus,

atmest du dich in deinen Körper zurück.

Deine Aufmerksamkeit wendest

sich wieder auf deine Glieder.

Du hast eine lange Reise nach innen unternommen,

jetzt reist du wieder nach außen zurück.

Mit deinem Atem fühlst du wieder deine Körper.

Belebst ihn mit dem Atem.

Füllst ihn mit lebendigen Energien.

Spürst wie deine Beweglichkeit in deine Glieder zurückkehren.

Und jetzt reckst du sie, erst vorsichtig, dann kräftig.

Nach fünf tiefen Atemzügen

bist du dann wieder ganz WACH!

 


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