Der Priester

    

09 Der Priester oder der Archetypus des Sinns - Teil I

Es ist dies ebenso der Archetypus des Glaubens. Dabei dürfen wir nicht in den Fehler verfallen, der Glaube habe irgendetwas zu tun mit der Kirche oder gar mit Gott! Lange bevor die Menschen an einen Gott oder eine Kirche glauben konnten, (da es Derartiges noch nicht gab), existierte schon dieser Archetypus, der die Menschen mit einem bestimmten Maß an Hoffnungen ausstattete.

Die Hoffnung darauf, dass sein Hier sein etwas Gutes in sich trüge, etwas Sinnvolles. Etwas, dass mir das Rätsel lösen hilft, wo ich herkomme, wo ich hingehe und worum das Ganze sich dreht. Und dass ich eine Seele habe und es sich lohnt, sich um diese Seele zu kümmern.

Natürlich: Irgendwann kam jemand auf die Idee eines Gottes und eines Heils, dass das mir dieser Gott bringen könnte. Und so kam es, dass die bereits vorhandenen Hoffnungen und frohe Gedanken eingezäunt wurden von den schnell gegründeten Kirchen und den dahinter stehenden verschiedenen Göttern der verschiedensten Länder.

Schauen wir noch einmal nach bei C. G. Jung: "Wenn alle Stützen und Krücken gebrochen sind und auch nicht die leiseste Rückversicherung irgendwo noch Deckung verspricht, dann erst ist die Möglichkeit gegeben zum Erlebnis eines Archetypus, der sich bisher in der bedeutungsschweren Sinnlosigkeit der Anima verborgen gehalten hatte. Es ist der Archetypus des Sinnes, wie die Anima den Archetypus des Lebens schlechthin darstellt." (C. G. Jung, "GW" Bd. 9/1, 1976 "Über die Archetypen des kollektiven Unbewussten" S. 41)

Aber – wir wiederholen es – der Glaube ist viel tiefer und viel älter als jedes Gottesbild. Wenn der steinzeitliche Höhlenmensch einen Büffel an die Höhlenwand malte, dann malte er auch seine Hoffnung, und seinen Glauben, dass es ihm gelänge dieses Tier (vielleicht sogar ein wenig durch das gemalte Bild) herbei zu schaffen, damit auch etwas mehr zu überleben und sich dabei wohl zu fühlen.

Teil II

Nun, wir sehen, dieser Archetypus ist zutiefst geistig. Er kümmert sich nicht (oder nur zweitrangig) um das Materielle, oder um das Morgen. Er will mit seinem Bild auch seinen Glauben, sein Verstehen-Wollen, jedes Mal aufs Neue herbeiholen, vielleicht sogar herbeizaubern

Er ist beschäftigt mit der unendlichen Welt des Geistigen, deren nächste systematische Hervorbringung sicherlich die große Welt der Götter war. Diese Mannigfaltigkeit des Göttlichen, geformt zunächst sicher nach dem vielfältigen Bilde, das der Mensch in seinem eigenen Inneren vorfand, wurde als erstes wohl in den Himmel projiziert, später an die Höhlenwände und wieder später an die Tempel- und Kirchenwände. Ein Ableger davon irrlichterte auf die Marktplätze des Platon, ließ sich nieder in der Akademia des Aristoteles, erreichte später die Hörsäle eines Kant, Hegel und Schopenhauer.

Dieser Archetypus gibt mir – und zwar a priori – meine Fähigkeit, zu glauben, zu hoffen und zu philosophieren und schließlich die Kraft für die Seel-Sorge. Er gibt mir aber auch die Leere des schreienden Nichts, wenn er sich – ohne mir Bescheid zu geben – von mir zurückzieht.

Welches Anliegen?
a)
Eben das gerade Erwähnte: wenn geistige Menschen, seien es Priester, Philosophen, Lehrer, oder seien es Therapeuten und andere Seelsorger, in sich immer mehr eine Leere vorfinden, so als würde der Glaube sich zurückziehen und der Sinn meines Tuns in eine zunehmende Kälte oder Leere hinein verschwinden.

b) Auch – auf gleicher Ebene – wenn eine geistige Arbeit, zum Beispiel die eines Schriftstellers, die eines Lehrers, oder all jener Menschen, die mit geistigen Werkzeugen zu arbeiten haben, allmählich dergestalt zu einem Ende kommt, dass diese Menschen in ihrer Arbeit, die ihnen bisher einen großen Gewinn einfahren konnte, keine Erfüllung mehr finden. (Das Stichwort "Schreibblockade" könnte hier angesiedelt sein.

c) Insbesondere wenn Priester ihren Kontakt zu Gott verlieren (sie nennen es: ihren Glauben verlieren). Hier muss man mitunter ein weit verbreitetes Thema, nämlich "die dunkle Nacht der Seele" (die von Johannes vom Kreuz beschrieben wurde) neben den Archetypus des Sinns dazu stellen.

Eigenschaften und Attribute vom Archetypus des Sinnes:
– der Glaube –
– die Hoffnung –
– die Religio –
– die Suche nach dem Sinn –
– die Seel-Sorge –
– die Bindung an das Geistige –
– wo komme ich her –
– wer bin ich–
– wo gehe ich hin –
– das Verstehen-Wollen –
– die Anmaßung –
– das souveräne Besserwissen –
– der sanfte Größenwahn –
– die religiöse Suche –
– die geistige Weite –
– der Priester –
– der Philosoph –
– generell die Sinnstiftung –
– die Berufung –
– der Therapeut –

 

---> Vorschau auf den Archetypus
»Das Schicksal oder Der alte Weise« 

  

Sobald dieser Archetypus die Bühne meines Lebens betritt, geht es um etwas Großes. Ein Großes im Angenehmen oder ein Großes im Unangenehmen. Schicksal ist nämlich etwas Geschicktes! Von wem? Von woher? Niemand kann hierzu etwas wissen.

Alle Profis, die etwas Anderes mit Expertenmeinung vortragen, lügen oder irren sich. Natürlich wissen wir schon, dass jedes bisher behandelte Gebiet der Archetypen, also jeder Inhalt der (von uns so betitelten) Amphoren, als Person etwas Großes behandelt und wir diese (innere) Person aus diesem Grund auf einen Stuhl, also nach oben, stellen.

Mehr darüber am 27.07.2012